Endometriose und Infertilität - Fakten im Überblick
Frauen, die an Endometriose leiden, haben ein erhöhtes Risiko, schwerer schwanger zu werden oder sogar gänzlich unfruchtbar zu sein. Je ausgeprägter die Unterleibserkrankung ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Die wichtigsten Fakten rund um Endometriose und Unfruchtbarkeit haben wir auf dieser Seite für Sie zusammengefasst.
Historie der Endometrioseforschung
Die älteste bekannte Beschreibung der Endometriose kommt aus dem Jahr 1690. Seinerzeit beschrieb der Jenaer Daniel Shroen Geschwüre, die „zu erheblichen Verwachsungen im Bauchraum zwischen Blase, Darm und Ligamentum latum führen“. Der eigentliche Forschungsbeginn durch namhafte Gynäkologen und Pathologen war jedoch rund 200 Jahre später. Das Ausmaß der Verbreitung wurde erst durch die Einführung der Laparoskopie in den 1980er Jahren bewusst.
In den 1990er Jahren wurden immer mehr Publikationen zu Endometriose veröffentlicht. Dennoch fehlen bis heute genauere Daten zur Inzidenz bzw. Prävalenz und zu möglichen Risikofaktoren. Auch die Ausgaben für Forschung sind im Vergleich zu anderen Erkrankungen äußerst gering. Nicht zu Unrecht wird Endometriose daher auch als „Erkrankung ohne Lobby“ bezeichnet.
Arten der Endometriose
In der Medizin wird Endometriose grundsätzlich in folgende Ausprägungen eingeteilt:
- ovarielle Endometriome
- superfizielle peritoneale Endometriose
- tief infiltrierende Endometriose
Daneben gibt es bestimmte Klassifikationssysteme:
- Punkteschema der American Society of Reproductive Medicine
- Endoscopic Endometriosis Classification
- ENZIAN-Kriterien
- Endometriosis Fertility Index
Jedes dieser Systeme berücksichtigt immer nur Teilaspekte. Keines bildet die Erkrankung jedoch ganzheitlich ab. Insofern lässt sich auch das zukünftige Fertilitätspotenzial nicht eindeutig abschätzen.
Endometriose Diagnosefindung
Leitsymptome der Endometriose sind:
- (chronische) Schmerzen im Becken- und Unterbauchbereich
- Dysmenorrhoe
- (starke) Dyspareunie
Hinzu gesellen sich zahlreiche weitere Symptome - darunter auch Sub- oder Infertilität.
Nachdem all diese Symptome mehr oder weniger unspezifisch sind und die Erkrankung auch asymptomatisch verlaufen kann, sind Fehldiagnosen keine Seltenheit.
Nicht-invasive diagnostische Techniken wie gynäkologische Untersuchung, Ultraschall oder MRI können einen Endometriosebefund weder sicher ausschließen noch bestätigen. Zuverlässige Diagnosen liefert derzeit nur die invasive Laparoskopie, sofern die Endometrioseherde nicht eindeutig sichtbar sind. Daraus ergibt sich eine lange Zeitdauer bis zur korrekten Diagnose - gerade bei Teenagern (durchschnittlich 12,1 Jahre). Doch auch bei Kinderwunschpatientinnen beträgt die diagnostische Verzögerung immerhin 4 Jahre. Innerhalb dieser Zeitspanne kann die Erkrankung mit negativer Auswirkung auf die Fertilität fortschreiten. Auch kann die lange Dauer zu invasiveren Therapieansätzen führen, die sich negativ auf das Fertilitätspotenzial auswirken.
Endometriosebedingte Infertilität: komplexe Wirkungszusammenhänge
In der Medizin herrschen kaum Zweifel, dass eine schwere Endometriose mit einer Sub- oder Infertilität in Zusammenhang steht. Alleine die erhöhte Prävalenz bei Infertilitätspatienten deutet klar darauf hin.
Schwieriger ist hingegen die Einschätzung im Falle milderer Erkrankungsformen. In diesem Fall ist der Einfluss der endometrioseassoziierten Unfruchtbarkeit schwer zu erfassen. Die Gründe hierfür sind:
- komplexes Krankheitsbild
- uneinheitliche Klassifikation
- in unterschiedlichen Schweregraden manifestierte Krankheitsbilder
- Vielzahl der auftretenden Komorbiditäten und Nebendiagnosen
- heterogene Studienlage
- verschiedene vorangegangene Therapien
- Problematik etwaiger unbemerkter Endometrioseherde
Ebenso kann die Endometriose in mehrerlei Hinsicht Einfluss auf die Fertilität nehmen. Neben der Dyspareunie können beispielsweise auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr dazu führen, dass die Chancen auf eine Schwangerschaft sinken. Gleiches gilt für eine anatomische Schädigung der Ovarien und Eierstöcke.
Diskutiert werden darüber hinaus folgende Einflussfaktoren:
- Endometriosebedingte hormonelle Veränderungen
- immunologisch bedingte negative Einflüsse (z. B. chronische Inflammation)
- Veränderung der Uterusperestaltik (Hyper-und Dysperistaltik)
Follikulogenese und ovarielle Reserve
Endometriose kann zu einem Rückgang des Eierstockgewebes (Ovarial-Gewebes) führen. Lokale Entzündungen können die ovarielle Reserve zusätzlich beeinflussen. Die Datenlage in diesem Bereich ist jedoch teils widersprüchlich. Eindeutiger ist die Situation, wenn Endometriome operativ entfernt werden. Hier kann es zu einer massiven Verminderung des Eierstockgewebes kommen.
Qualität und Kompetenz der Eizellen bei Endometriose
Auch eine reduzierte Eizellqualität durch Endometriose wird diskutiert. Die Theorie beinhaltet folgende Eckpunkte:
- vermehrtes proinflammatorisches Milieu
- erhöhte Expression bestimmter Chemo- und Cytokine sowie Prostaglandine
- erhöhter ROS (reactive oxygen species)-Spiegel
Daraus könnten sich folgende Auswirkungen ergeben:
- beeinträchtigte Follikulogenese
- Schädigung oder Beeinträchtigung der Granulosa- und Thecazellen
- veränderte Zusammensetzung der Follikelflüssigkeit
Diese Auswirkungen könnten sich wiederum in folgenden Bereichen bemerkbar machen:
- Reifegrad der Eizellen
- Eizellmorphologie
- Aneuploidieraten
- Fertilisierungsraten
Bei der Beurteilung all dieser Parameter ist es problematisch, dass sie individuell unterschiedlich sein und multifaktorielle Ursachen haben können. Auch ist nicht klar, inwiefern bestimmte Änderungen phologischer Parameter sich in der Eizellkompetenz widerspiegeln.
Es existieren Metaanalysen, die eine geringere Anzahl von reifen Eizellen bei Patienten mit Endometriomen sehen. Ob dies an der eigentlichen Follikelanzahl liegt oder an der Schwierigkeit der Follikelpunktion, bleibt jedoch offen.
Im Hinblick auf die Fertilität lässt eine weitere Metaanalyse darauf schließen, dass eine höhergradige Endometriose mit einem schlechterem IVF-Outcome verbunden ist, eine geringergradige hingegen eher Auswirkungen auf die Befruchtungsraten hat.
Embryonalentwicklung bei Endometriosepatientinnen
Zur Embryonalentwicklung bei Endometriosepatientinnen existieren nur wenige Studien. Einige von ihnen sehen Unterschiede in der Blastozystenentwicklung (Anzahl und/oder Qualität) sowie Hinweise auf vermehrt abnormale Zellteilungen. Andere Arbeiten können dies wiederum nicht bestätigen.
Veränderungen im Gameten- und Embryonentransport bei Endometriose
Auch eine Störung des Spermientransports bei Endometriose wird teilweise angeführt, ist aber schwierig zu belegen. Gleiches gilt für den Oozyten- und Embryotransport. Recht eindeutige Hinweise gibt es, dass Endometriose und Eileiterschwangerschaften zusammenhängen. Dies könnte auf einen endometriosebedingten gestörten Tubentransport hindeuten. Ein Zusammenhang mit dem erhöhten Östrogenspiegel scheint möglich.
Weitere mögliche Gründe für den unerfüllten Kinderwunsch
Neben den bereits genannten Erkenntnissen werden folgende Einflussfaktoren in der Wissenschaft diskutiert:
- Endometriale Rezeptivität und Implantation (vermehrte ER-alpha-Expression und zeitgleiche Progesteronresistenz)
- Schwangerschaftskomplikationen: Hinweise lediglich für eine leicht erhöhte Prävalenz hinsichtlich einer Placenta praevia
- Komorbidität-bedingte Infertilität (z. B. durch autoimmunologische Erkrankungen, Adenomyose)
Management und Therapie bei Endometriose und Kinderwunsch
Nach Sicherung der Diagnose kommen viele Therapieoptionen infrage. Die Bandbreite reicht von medikamentösen (nicht-endokrinen und endokrinen) bis hin zu chirurgischen Behandlungen. Welche Option zur Anwendung kommt, hängt von der Endometriose-Art, der Schwere des Organbefalls, dem Alter der Frau, dem Vorhandensein eines Kinderwunsches und den genauen Behandlungszielen ab. Letztere können sein:
- Symptomkontrolle
- Rezidivreduktion
- Verbesserung der Lebensqualität
- Bei Kinderwunsch: Erhaltung der Fertilität und Therapie der Unfruchtbarkeit
Wichtig ist es, stets das gesamte Krankheitsbild im Auge zu behalten. Hierfür müssen Ärzte aller relevanten Disziplinen (Gynäkologie, Reproduktionsmedizin, Chirurgie, Schmerztherapeuten und Pathologen) abgestimmt zusammenarbeiten.
Gerade bei chirurgischen Eingriffen kann die ovarielle Reserve beeinträchtigt werden. Wiederholte Eingriffe am Eierstock sollten bei bestehendem Kinderwunsch daher nach Möglichkeit vermieden werden. Weiterhin sollte eine medikamentöse Nachbehandlung nach der Operation mittels Gestagene oder eine Rezidivprophylaxe mit oralen Kontrazeptiva bis zum erfüllten Kinderwunsch durchgeführt werden. Trotz operativem Eingriff und medikamentöser Unterdrückung liegt die 3–5-Jahres-Rezidivraten in Studien leider dennoch bei 20 bis 40 Prozent, teils gar bei bis zu 80 Prozent. Gerade bei jungen Patientinnen ist sie sehr hoch.
Zusammenfassung
Insgesamt ist Endometriose eine sehr weitverbreitete und gleichzeitig oftmals zu spät diagnostizierte Erkrankung. Auch die Auswirkungen werden häufig unterschätzt. Leider sind die zugrundeliegenden pathologischen Mechanismen außerdem noch unzureichend erforscht und verstanden. Inwiefern sich bestimmte Endometriose-Arten und -Stadien auf die Fruchtbarkeit auswirken, kann nicht abschließend beantwortet werden. Dass es einen Zusammenhang gibt, legt die hohe Inzidenz an Endometriose bei Infertilitätspatienten jedoch sehr nahe.
Die umstrittenste Fertilitätseinschränkung bei Endometriosepatientinnen ist die Reduktion der Ovarreserve durch (wiederholte) chirurgische Entfernung von Endometrioseherden. Die vorzeitige Durchführung von fertilitätsprotektiven Maßnahmen (z. B. Kryokonservierung von Eizellen) liegt somit nahe, denn sie könnten die Schädigung der Eizellen vermeiden. Ebenso könnte die Strategie einer Reduktion der ovariellen Reserve schon vor der ersten Operation entgegenwirken. Für Patientinnen wäre es dann möglich, ihren Kinderwunsch zu planen und gleichzeitig zielgerichtete Therapien zur Behandlung der Erkrankung anzuwenden.
Der Endometriose Dialog e. V. berät Sie!
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